Hämodynamische Grundlagen

Strömungsformen

Laminare Strömung:

Die aus starren Röhren bekannte laminare Strömung findet sich auch in den meisten Blutgefäßen, das bedeutet das Blut bewegt sich in dünnen konzentrischen Schichten, den sogenannten "laminae". Dabei kommt es zwar zu einer gerichteten Bewegung parallel zur Gefäßachse, aber die Blutkörperchen in den verschiedenen Schichten bewegen sich nicht mit der gleichen Geschwindigkeit.
Das liegt daran, dass in wandnahen Schichten zusätzlich eine sogenannte äußere Reibung herrscht, wodurch der Blutfluss verlangsamt wird. In der Gefäßmitte gibt es diese äußere Reibung nicht und deshalb zeigt der Axialstrom die größten Strömungsgeschwindigkeiten.

Wenn sich die Maximalgeschwindigkeiten in der Gefäßmitte stark von den langsamen Strömungsgeschwindigkeiten in den wandnahen Bereichen unterscheiden, spricht man von einem parabolischen Geschwindigkeitsprofil (parabolic flow velocity profile).
Dieses ist vor allem in den herzfernen, kleineren Gefäßen zu finden und ist durch eine breite Verteilung an Strömungsgeschwindigkeiten im Dopplerspektrum charakterisiert.


Grafik parabolisches Geschwindigkeitsprofil
parabolisches Geschwindigkeitsprofil / parabolic flow velocity profile
Quelle: nach POULSEN NAUTRUP, 2007c und VON ENGELHARDT, 2015


PW-Dopplerspektrum einer Arteria renalis mit einem parabolischem Geschwindigkeitsprofil
PW-Dopplerspektrum einer Arteria renalis mit einem parabolischem Geschwindigkeitsprofil -
Es zeigt eine breite Verteilung von Strömungsgeschwindigkeiten über dem Gefäßlumen

BEACHTE:
Diese breite Verteilung der Strömungsgeschwindigkeiten kann nur sichtbar werden, wenn das Messvolumen das gesamte Gefäß einschließt. Hier spricht man im Englischen von der "uniform insonation method", also einer einheitlichen Beschallung des gesamten Gefäßlumens.


Anwendung eines großen Messvolumens im PW-Doppler (uniform insonation method) am Beispiel der Aorta abdominalis
Anwendung eines großen Messvolumens über das gesamte Gefäßlumen der Aorta abdominalis zur Messung der Blutflussgeschwindigkeiten mit dem PW-Doppler (uniform insonation method)

Bei der "maximum velocity method" sollen dagegen die Maximalgeschwindigkeiten in der Gefäßmitte gemessen werden, es wird also ein kleineres Messvolumen mittig im Gefäßlumen platziert.
Mögliche Fehlerquellen dieser Methode können z.B. eine durch Patientenbewegungen resultierende randständige Positionierung des Messvolumens sein, aber auch ein zu klein gewähltes Messvolumen und schlechte Anschallung des Gefäßes im zweidimensionalen B-Bild. Dadurch kann eine Positionierung in der dreidimensionalen Gefäßmitte sehr schwierig sein und die Maximalgeschwindigkeiten gegebenenfalls nicht erfasst werden.


Anwendung eines kleinen Messvolumens in der Gefäßmitte im PW-Doppler (maximum velocity method) am Beispiel der Aorta abdominalis
Anwendung eines kleinen Messvolumens in der Gefäßmitte der Aorta abdominalis zur Messung der Maximalgeschwindigkeiten mit dem PW-Doppler (maximum velocity method)

In den herznahen, großen Arterien wie der Aorta findet sich dagegen ein abgeflachtes Geschwindigkeitsprofil, das sogenannte Kolbenprofil (plug flow velocity profile).
Durch das größere Gefäßlumen besteht ein größerer Abstand der meisten Schichten zu den Reibung verursachenden Gefäßwänden. Deshalb fließen die meisten Blutkörperchen mit einer ähnlichen Geschwindigkeit und nur die äußerste Schicht zeigt einen etwas verlangsamten Fluss.
Im Dopplerspektrum entsteht dabei eine klar gezeichnete weiße Kurve mit einer schmalen Verteilung an Strömungsgeschwindigkeiten. Diese Hüllkurve lässt zwischen Nulllinie und Maximalgeschwindigkeit in der Systole das sogenannte systolische oder spektrale Fenster offen.


Grafik Kolbenprofil
Kolbenprofil / plug flow velocity profile
Quelle: nach POULSEN NAUTRUP, 2007c und VON ENGELHARDT, 2015


PW-Dopplerspektrum der Aorta abdominalis mit einem Kolbenprofil
PW-Dopplerspektrum der Aorta abdominalis mit einem Kolbenprofil -
Durch die schmale Verteilung von Strömungsgeschwindigkeiten über dem Gefäßlumen entsteht eine Hüllkurve, welche ein deutliches spektrales Fenster einschließt

Manche Autoren unterschieden noch ein weiteres Geschwindigkeitsprofil, welches eine Zwischenform des Kolbenprofils und des parabolischen Profils darstellt (SZATMARI et al., 2001; LEE et al., 2004; GASCHEN et al., 2005; MATTOON & BERRY, 2021).
Das abgestumpfte parabolische Profil (blunted parabolic flow velocity profile) ist demzufolge in mittelgroßen Arterien, wie der A. celiaca und A. mesenterica cranialis, zu finden.
Es zeigt eine breitere Verteilung an Strömungsgeschwindigkeiten als beim Kolbenprofil, aber schmaler als beim parabolischen Profil. Bei dieser Zwischenform der Geschwindigkeitsprofile kann in der Systole ein spektrales Fenster vorhanden sein, welches jedoch deutlich kleiner ist, als jenes bei einem Kolbenfluss.


PW-Dopplerspektrum der Arteria mesenterica cranialis mit einem abgestumpft parabolischem Profil
PW-Dopplerspektrum der Arteria mesenterica cranialis mit einem abgestumpft parabolischem Profil -
Es stellt eine Zwischenform zwischen parabolischem Geschwindigkeitsprofil und Kolbenprofil dar, das spektrale Fenster in der Systole ist hier nur sehr leicht angedeutet


PW-Dopplerspektrum der Arteria celiaca mit einem abgestumpft parabolischem Profil
PW-Dopplerspektrum der Arteria celiaca mit einem abgestumpft parabolischem Profil -
Hier ist kein spektrales Fenster zu sehen, aber die Verteilung der Strömungsgeschwindigkeiten über dem Gefäßlumen ist schmaler als bei einem parabolischen Geschwindigkeitsprofil

Turbulente Strömung:

Die laminare Strömung in den Gefäßen kann auch in eine turbulente Strömung übergehen, was sowohl unter physiologischen als auch unter pathologischen Bedingungen der Fall sein kann. Allerdings kann eine unter physiologischen Bedingungen auftretende turbulente Strömung schnell zu einer laminaren Strömung zurückkehren.

Ein solcher Übergang in eine turbulente Strömung ist von verschiedenen Parametern abhängig, z.B. einer Änderung des Strömungsverlaufs. Dieser ist von der Geometrie und dem Durchmesser der Gefäße abhängig, wenn sich also ein Gefäß aufzweigt (Bifurkation), aber auch bei einfachen Astabzweigungen, sowie bei starken Krümmungen kann eine turbulente Strömung auftreten.
Der Strömungsverlauf wird auch bei pathologischen Einengungen des Gefäßlumens gestört, wie sie bei Gefäßstenosen, sowie bei Komprimierung des Gefäßes von außen, z.B. durch tumoröse Massen, entstehen.

Ein weiterer Parameter ist die mittlere Fließgeschwindigkeit. Turbulente Strömung tritt auf, wenn diese stark zunimmt, wie beispielsweise während der Kontraktion des linken Ventrikels in der Aorta. Auch bei pathologischen Zuständen wie Gefäßstenosen oder Klappeninsuffizienzen des Herzens kommt es zu größeren Strömungsgeschwindigkeiten.

Die zwei weiteren Parameter beinhalten die Dichte und die Viskosität einer Flüssigkeit, also in diesem Fall des Blutes.

Die dimensionslose Reynolds-Zahl fasst die Parameter wie folgt zusammen:
Reynolds-Zahl = (Durchmesser der Gefäße x mittlere Fließgeschwindigkeit x Dichte) / Viskosität

Turbulente Strömung tritt auf bei Werten der Reynolds-Zahl größer als 2000 - 2200. Hierbei kommt es zu vielen unterschiedlichen Strömungsgeschwindigkeiten im Gefäß, von langsamsten bis hin zu Maximalgeschwindigkeiten wie den sogenanntan Stenosejets. Dies verursacht eine Wirbelbildung, also eine Bewegung der Blutkörperchen, welche nicht mehr nur parallel, sondern auch quer zur Gefäßachse ist. Dabei entsteht ein Umkehrfluss, welcher vor allem bei Gefäßstenosen anzutreffen ist.
Die innere Reibung wird stark erhöht und damit auch die Energieverluste, weshalb es poststenotisch zu einem Abfall der Strömungsgeschwindigkeit und des Perfusionsdruckes kommt.


Grafik Stenose
Entstehung von turbulenter Strömung bei einer Stenose
Quelle: nach POULSEN NAUTRUP, 2007c und CHENG et al., 2006

Im Dopplerspektrum zeichnet sich eine turbulente Strömung durch eine breite Geschwindigkeitsverteilung, sowohl oberhalb als auch unterhalb der Nulllinie, aus (siehe auch Konfetti / Möwenschrei).
Hier spricht man im Englischen vom "spectral broadening", also einer spektralen Verbreiterung, auch Dopplerverbreiterung genannt. Durch Stenosejets kann eine nach obenhin unscharf begrenzte Dopplerkurve mit ausgefranstem Profil entstehen.


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